Mehr Transparenz im Tarifdschungel

Anhörung zum Verbraucherschutz am Energiemarkt

29. Februar 2024

MÜNCHEN.     In der Landtagsanhörung im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz zum Thema „Verbraucherschutz am Energiemarkt“ berichteten die Experten über ihre Arbeit und Erfahrungen. Zudem wurden Probleme der Verbraucher mit der Energiewende erörtert.

Sieben Experten konnte der Ausschussvorsitzende Alexander Flierl (CSU) zur Anhörung über den Verbraucherschutz am Energiemarkt begrüßen.
Eva Fuchs, Vorstandsvorsitzende des VerbraucherService Bayern im KDFB e.V., der an 70 Standorten in Bayern in der Energieberatung, Verbraucherbildung und Energierechtsberatung tätig ist, nannte zunächst die „tiefgreifenden Veränderungen“ des Energiemarktes, darunter die zunehmende Nutzung erneuerbarer Energien, die Dezentralisierung der Energieerzeugung, Energieeffizienz, Smart Grid-Technologien, die Elektrifizierung des Verkehrs, die Liberalisierung und nicht zuletzt die Digitalisierung. „Diese Veränderungen bringen große Herausforderungen mit sich, aber sie bieten auch große Chancen“, betonte Fuchs. Der Fokus liege nun zunehmend darauf, „eine nachhaltige, bezahlbare und zuverlässige Energieversorgung sicherzustellen und dabei die Bedürfnisse der Verbraucherinnen und Verbraucher zu berücksichtigen“ sowie den Umweltschutz zu fördern. Für einen guten Verbraucherschutz sei Transparenz und eine verständliche Tarifstruktur mit leichtem Anbieterwechsel entscheidend. Verbraucherinnen und Verbraucher müssten in der Lage sein, die Kosten und Bedingungen ihrer Energieversorgung klar zu verstehen – dafür brauche es auch entsprechende Bildungsprogramme schon in der Schule. Verbraucher benötigten zudem Schutz vor überhöhten Preisen. Dafür brauche es „eine effektive Regulierung und eine Überwachung des Marktes“ und Aufklärung der Verbraucher. Dies müssten Regierung, Regulierungsbehörden, Energieunternehmen und Verbraucherschützer gemeinsam gewährleisten.

Wildwuchs bei Anbietern kontrollieren

Das langjährige Thema Energiemarkt sei in den letzten drei Jahren „wirklich explosionsartig“ bei der Verbraucherzentrale Bayern aufgeschlagen, erklärte Heidemarie Krause-Böhm, Referatsleiterin für Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit bei der Verbraucherzentrale Bayern. „Unsere Angebote sollen Menschen befähigen, den richtigen Anbieter zu finden.“ Die Kosten für Strom, Gas und Fernwärme seien weiter hoch und würden aufgrund erhöhter Netzentgelte und anderer Kosten auch nicht sinken. Darum müsse man den Verbrauchern  „Energiesparpotenziale und Energieeffizienz“ näherbringen. Der „Wildwuchs“ bei den Anbietern, die teilweise auch unseriös agierten, müsse beobachtet, kontrolliert und reguliert werden, etwa durch die Bundesnetzagentur. „Wir als Verbraucherzentralen versuchen, rechtliche Mittel einzulegen, in Form von Musterfeststellungsklagen und Sammelklagen“, sagte Krause-Böhm. Beim Thema Fernwärme forderte sie eine „verbraucherfreundliche Nachbesserung“.
In Bayern habe man im letzten Jahr insgesamt 4,5 Millionen Euro für das Projekt Energieeinsparung bekommen, die mit rund 250 Honorarberatern sowie über die Geschäftsstellen durchgeführt werde, so Sigrid Goldbrunner, Regionalmanagerin Energieberatung der Verbraucherzentrale Bayern. 50.000 Verbraucherinnen und Verbraucher hätten 2023 in Bayern diese Beratung zu den Themen Heizungsaustausch, Gebäudesanierung, Installation von erneuerbaren Energien im Eigenheim, klassischem Energiesparen oder Anbieterwechsel in Anspruch genommen. „Wir betreiben sogenannte Beratungsstützpunkte in circa 200 Rathäusern und Landratsämtern“, berichtete Goldbrunner. Allein 10.000 Mal seien die Energieberater vorbeigekommen und hätten einen sogenannten Energy Check durchgeführt, „der circa zwei Stunden dauert und den Bürgern wirklich am Objekt zeigt, was zu tun ist“. Bei den kommunalen Planungen zur Wärmeversorgung und der Umrüstung der Gasnetze auf Wasserstoff wünsche sie sich die frühzeitige Einbindung der Verbraucherschützer.
Volker Tschischke, Vorsitzender von Vernunftkraft NRW, betrachtete nicht nur den monetären Ansatz im Verbraucherschutz, sondern auch die Art der Energieversorgung. Das Preisniveau in Deutschland sei mit das höchste unter den G20-Staaten. Da müsse man das bisherige Konzept hin zu den erneuerbaren Energien hinterfragen. „Eine technologieoffene Ausrichtung der Energieversorgung wäre die richtige Wahl“ – und im Sinne der Verbraucher. Erhielten Kommunen Rendite durch Windkraftanlagen, hole sich der Betreiber das im Gegenzug von den Verbrauchern zurück. Darum brauche man „Transparenz in den Abrechnungen“, auch über solche Nebenkosten der Erneuerbaren. Dazu gehörten auch Flatterstrom, große Waldrodungen, gesundheitliche Probleme durch „Körperschall“ und ein geringer Wirkungsgrad der Windräder. „Pro Windenergieanlagen habe ich circa 100 Kilogramm Mikroplastik durch Abrieb, was die Umwelt auch belastet“, warnte er weiter. Hinzu kämen große Mengen Öl und radioaktives Neodym, die in und mit jedem Windrad verarbeitet würden. „Auch das gehört zur Wahrheit und zum Verbraucherschutz“, betonte Tschischke.

Smarter Stromverbrauch

Norbert Zösch, Geschäftsführer der Stadtwerke Haßfurt, die für 17.000 Einwohner, 13 Windanlagen mit insgesamt 30 Megawatt und viele Photovoltaikanlagen zuständig sind, wies darauf hin, dass der Windpark mit einer Bürgerenergiegenossenschaft gegründet worden sei, „die an Erlösen beteiligt ist, wodurch wir höhere Akzeptanz haben“. Günstigere Energiepreise für die Verbraucher könne es erst nach Refinanzierung der Anlagen geben. Zösch weiter: „Wir haben seit 2012 Smartmeter in Haßfurt verbaut, die jedem Verbraucher transparent seinen Verbrauch anzeigen.“ Ein Flextarif mit Unter- und Obergrenze beim Strompreis könne bei flächendeckend vorhandenen Smartmetern in Zukunft ein wichtiger Ansatz werden. Denn damit könnten die Verbraucher in günstigen Zeiten mit viel Wind und Sonne automatisch mehr Strom verbrauchen - etwa indem sie ihre Geräte benutzen und laden oder Wärme erzeugen ließen. Mit Wärme- und Stromspeichern könne das zusätzlich verbessert werden. „Die Datenschutzprobleme sind lösbar“, meinte Zösch. Mit guter Information der Verbraucher, also der Kunden, könne man als kommunales Unternehmen klarmachen, dass eine derartige Energieversorgung auch weiteren von den Stadtwerken betriebenen Einrichtungen wie Bädern oder Nahverkehr zugute käme.
Jochen Weisser, Jurist und Verbraucherberater, und Ute Mowitz-Rudolph, Geschäftsführerin, beide beim VerbraucherService Bayern im KDFB e.V., brachten Licht in einige rechtliche Fragen. Grundsätzlich sei die Rechtslage gut, durch Widerrufsrechte, Transparenzanforderungen an die AGB und an Preiserhöhungen. „Die Praxis sieht halt leider häufig anders aus“, mahnte Weisser mit Blick auf grundlose Kündigungen oder intransparente Preiserhöhungen. Mit Verbandsklagen könne man das „in großem Stil unterbinden“, das erfordere aber viel Geld, Aufwand und Recherche sowie aussagewillige Zeugen. Unseriöse Anbieter fänden sich aber in der Regel nicht bei den Stadtwerken.

Nutzen für den Verbraucher

In der anschließenden Fragerunde der Fraktionen wollte Franc Dierl (CSU) wissen, wie sich die fehlende Grundlast, die Netzentgelte und die CO2-Abgabe auf Tarife auswirke und ob das Heizungsgesetz GEG mehr Beratung erfordere. Mit deutlich mehr Batteriespeichern, Digitalisierung (Smart Meter) und Dezentralisierung könne man bei der Grundlast Abhilfe schaffen, mit mehr Stromtrassen langfristig bei den Netzentgelten, so die Experten. Das GEG habe in der Tat anfangs sehr viel Beratungsbedarf und teils sehr emotionale Auseinandersetzungen mit den Energieberatern ausgelöst. Markus Saller (Freie Wähler) erkundigte sich, ob es rechtliche oder finanzielle Lücken beim Verbraucherschutz im Energiemarkt gebe, wo der Gesetzgeber nachbessern müsse. Die Experten nannten hier die Notwendigkeit von mehr Personal und finanzieller Unterstützung. Prof. Dr. Ingo Hahn (AfD) fragte nach den langfristigen Auswirkungen der verbauten Stoffe in Windrädern auf Flora und Fauna und was denn die Energieversorgung der Zukunft sein könne. Für langfristige Erkenntnisse fehlen noch die entsprechenden Studien, die mittels Bodenproben laut Volker Tschischke aber in Auftrag gegeben worden seien. Die Experten verwiesen zudem auf einen Energiemix und die verstärkte Nutzung von Erdwärme für die künftige Energieversorgung. Laura Weber (Bündnis 90/Die Grünen) wollte Informationen über den konkreten Nutzen für Verbraucher bei Bürgergenossenschaften und „Energy-Sharing“. Norbert Zösch erklärte, im Bereich der Stadtwerke Haßfurt seien das die ausgeschüttete Rendite und relativ stabile Preise. Das Energy-Sharing sei regulatorisch nicht geklärt und könne daher derzeit nur virtuell stattfinden. Anna Rasehorn (SPD) bat um Auskunft, ob und wie KI-Nutzung im Energiemarkt Nutzen oder Gefahren für die Verbraucher erzeugen könne. VSB-Jurist Jochen Weisser erklärte, gerade bei der Energieverbrauchssenkung könne KI neue Chancen bieten. Allerdings brauche es dafür die Erhebung sehr vieler Daten - mit den bekannten Risiken.

/ Andreas v. Delhaes-Guenther

 

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